Der Landesrefernt im Gespräch

Der Landesrefernt über die Hundeführer

Berger1Hans Berger aus Pfalzen leitet seit acht Jahren die Hundeführer des Alpenvereines Südtirol (AVS). Vor 20 Jahren ging er zur Bergrettung Vintl. Ebenso lange arbeitet er als Hundeführer. In einem Interview sprach er über die Koordination von Einsätzen, die fehlende psychische Betreuung und die Finanzierung der Ausbildung sowie der Einsätze.
Hans Berger

Wie sind die Hundeführer in Südtirol aufgeteilt?
Berger: Ich bin für die Hundeführer im ganzen Land zuständig. Wir haben auch einen kleineren Ausschuss, der sich zu Sitzungen trifft. Sonst sind wir in fünf Bezirke aufgeteilt: Pustertal, Eisacktal, Bozen, Meran/Burggrafenamt und Vinschgau. In jedem Bezirk gibt es einen Talschaftsführer, der für die Hundeführer der jeweiligen Talschaft zuständig ist. Er wird zusammen mit einem kleineren Ausschuss gewählt. Der Talschaftsführer organisiert unter anderem die internen Übungen oder Übungen mit anderen Organisationen, zum Beispiel der Feuerwehr.

Aus wie vielen Personen besteht der Landesausschuss?
Berger:Der Landesausschuss besteht aus sieben Personen. Die Periode dauert auf Landesebene und in den Talschaften drei Jahre. (*)

Die Hundeführer leisten jährlich unzählige Stunden an freiwilliger Arbeit. Um andere zu retten, riskieren sie auch ihr eigenes Leben. Wie rechtfertigt sich dieser Einsatz gegenüber der Familie?
Berger: Gefährlich sein kann es immer. Man braucht als Hundeführer und Bergretter Glück. Man muss ausgebildet sein und die Situation beobachten. Wenn es zu gefährlich ist, ist besser man dreht um.

Sie sind dreifacher Familienvater. Steht Ihre Familie hinter Ihnen?
Berger: Ja, zu hundert Prozent, sonst geht diese Arbeit nicht.

Was erwarten Sie sich als Landesreferent von „Ihren“ Hundeführern?
Berger: Jeder Hundeführer muss konditionell und skitourenmäßig gut vorbereitet sein. Er muss in der Lage sein, einen Einsatz gut über die Bühne zu bringen. Es ist das Wichtigste, dass er wieder gesund zurückkommt.

Wie sieht die Ausbildung eines Hundes aus?
Berger: Die Ausbildung des Hundes sollte bereits mit zwei Monaten beginnen. Also relativ früh. Durch Spiele baut der Hundeführer eine Beziehung zu seinem Hund auf. Eine gute Beziehung zwischen den beiden ist das Wichtigste.
Ab dem achten Monat kann der Hund den ersten Landeskurs, den A-Kurs, besuchen. Die A-Prüfung ist die leichteste Prüfung. Der Hund muss allein suchen und einen Menschen unter dem Schnee finden.
Nach einem Jahr kann er den B-Kurs machen. Er muss schon zwei Menschen suchen und die Suche wird ausgedehnt. Am Ende des B-Kurses muss er wieder eine Prüfung bestehen.
Im dritten Jahr (erfolgreicher C-Kurs; E.S.) wird er zu einem voll ausgebildeten Einsatzhund. Hund und Hundeführer müssen allein an einem Einsatzort suchen können.Sie müssen beide eigenständig arbeiten.
Die Ausbildung dauert zwischen drei bis vier Jahren. Anschließend ist er ein voll ausgebildeter Einsatzhund. Aber Hund und Hundeführer müssen auch in Zukunft Kurse auf dem Niveau des C-Kurses besuchen.

Darf ein Hund erst nach erfolgreicher C-Prüfung zu Einsätzen?
Berger: Nein, zum Einsatz kommt er schon mit der zweiten Stufe, also mit der B-Prüfung. Wir haben Südtirol weit eine Liste; die Hunde kommen auf diese Einsatzliste. Bei den Kursen besprechen die Ausbilder jeden Tag, wie Hund und Hundeführer gearbeitet haben. Ob sie die jeweilige Stufe erreicht haben. Erreichen Hundeführer und Hund die Stufe nicht, müssen sie im nächsten Jahr noch einmal zur Prüfung antreten.

Ein Hundeführer lebt mit und von seinem Hund. Wielange ist ein Hund einsatzfähig?
Berger: Wenn alles passt, ist er mit drei Jahren einsatzbereit. Und dann kommt es auf die Rasse darauf an. Aber zum Großteil sind die Hunde bis zu 10/12 Jahren einsatzfähig. Ein Hundeleben ist eigentlich kurz. 10 Jahre geht es immer. 12 Jahre sind schon das Limit, die Ausnahme.

Was passiert mit den Hunden, wenn sie zu alt sind?
Berger: Normal lässt man sie am Leben und sie bleiben in der Familie. Sie wachsen ja mit der Familie auf. Zum Schluss werden sie eventuell eingeschläfert.

Wie lange ist ein Hund bei einem Einsatz einsatzfähig?
Berger:Da kommt es hauptsächlich auf die Umstände darauf an, zum Beispiel auf die Temperatur. Die Temperatur hat sehr viel zu sagen. Wenn er in der Sonne suchen muss, kann er zwischen ein bis zwei Stunden ohne Probleme suchen. Dann muss er sich ungefähr zwei Stunden ausruhen. Er bekommt Wasser und dann kann er weitersuchen. Auch auf einer Lawine kann der Hund ein bis zwei Stunden suchen. Das kann etwa zweimal wiederholt werden, dann ist fertig. Suchen ist für den Hund unmöglich anstrengend.

Die Hundeführer müssen zu Einsätzen und Übungen meistens mit den Privatautos fahren. Womit rechtfertigt sich dieser Einsatz?
Berger: Wir haben noch nicht genug Autos, um mit dem Einsatzauto oder Bergrettungsauto herumfahren zu können. Viele fahren mit den Privatautos und machen unmöglich viele Kilometer. Aber das kann man eventuell mit der jeweiligen Rettungsstelle besprechen. (Jeder Hundeführer gehört einer Rettungsstelle an; E.S.) Die Rettungsstelle kann das finazielle Loch, wie wir es nennen, schließen. Es kommen Tausende von Kilometern zusammen und es hat jede Rettungsstelle ihr System, wie sie das regelt. Einige Hundeführer bekommen zum Beispiel eine kleine Spesenvergütung.

Vom Land bekommen die Hundeführer keine Unterstützung?
Berger: Vom Land bekommt die Rettungsstelle eine Spesenvergütung für Seilmaterial, Verschleißmaterial oder für den Kauf von Rettungsautos. Die Landeskurse oder Fels- und Eiskurse werden ebenfalls vom Land finanziert.

Wie läuft ein Einsatz ab?
Berger: Wir sind alle mit einem Piepsgerät ausgestattet. Bei einem Lawinenabgang oder einer Suchaktion wird die Landesnotrufzentrale unter der Nummer 118 verständigt. Von der Zentrale aus wird der Einsatz koordiniert. Die wissen genau, wen sie auspiepsen müssen. Durch den Piepser erfahren wir, was geschehen ist. Wir müssen uns sofort bei der Zentrale melden, dann erfahren wir, was wir tun müssen.
Am Wochenende haben wir einen Bereitschaftsdienst aufrecht, damit gewisse Personen sofort einsatzbereit sind. Die anderen müssen mit dem Auto zum Einsatzort fahren oder werden eventuell mit einem weiteren Hubschrauber nach geflogen. Wenn es notwendig ist, werden neben den Hundeführern auch die Bergrettung oder die Feuerwehr alarmiert.

Wie sieht der Einsatz vor Ort aus?
Berger: Vor Ort wid ein Einsatzleiter bestimmt. Einsatzleiter ist immer der, der in dem Bezirk von der Bergrettung zuständig ist. Er koordiniert den Einsatz vor Ort. Er kontrolliert, ob die Personen richtig ausgerüstet sind, ob sie den Piepser wegen einer Nachlawine eingeschaltet haben. Wenn nicht nur Hundeführer im Ensatz sind, koordiniert eine Person die Hundeführer und eine weitere die restlichen Einsatzkräfte. Der Einsatzleiter wird somit entlastet.
Es wird von der Bergrettung Piepsuche gemacht und das Gebiet mit den Sonden abgesucht. Es braucht viele Personen, um das alles zu organisieren. Bei einem Lawineneinsatz ist die Einteilung auf der Lawine wichtig. Wenn ein Teil nicht abgesucht wird, kostet das Zeit.

Gibt es am Einsatzort selber eine Rangordnung innerhalb der Hundeführer? Das heißt, kommen zuerst die erfahrenen und dann erst die jüngeren Hundeführer zum Einsatz?
Berger: Das ist richtig. Im Pustertal sind ziemlich viel Hundeführer. Wenn es zu einem Einsatz kommt und sich z. B. fünf Hundeführer melden, machen wir intern aus, wer mit dem ersten Flug fliegt. Es ist ganz wichtig, dass der Erfahrene sofort fliegt. Die kommen meist mit dem Auto nach.

Wie wird eine Lawine abgesucht?
Berger: Die Lawine wird fast immer von unten nach oben abgesucht, weil der Wind meistens von oben nach unten zieht. Der Hund sucht viel besser, wenn er gegen den Wind suchen kann. Deshalb müssen wir gegen den Wind suchen. Sollte der Wind von unten nach oben ziehen, dann suchen wir schneller von unten nach oben und dann von oben nach unten.

Jeder Fund wird dem Einsatzleiter gemeldet?
Berger: Wenn zum Beispiel jemand einen Skistecken, eine Windjacke oder einen Rucksack findet, dann meldet er den Fundort der Einsatzleitung. Zu 90% liegt die verschüttete Person in der Flussrichtung. Das heißt der Verschüttete liegt entweder unterhab oder oberhalb des Fundortes. Das ist statistisch bewiesen. Deshalb wird dieses Gebiet noch besser abgesucht. Auch bewiesen ist, dass die Verschütteten zu 90% im unteren Teil der Lawine liegen.

Wie verhalten sich die Bergretter, wenn die Suche zu gefährlich ist?
Berger: Die Sicherheit des Bergretters hat Vorrang. Wenn es zu gefährlich ist, wird umgedreht und nicht gesucht. Es hat keinen Sinn irgendwo zu suchen, wenn es gefährlich und nass ist. Es ist klüger, die Suche auf den nächsten Tag zu verschieben. Ob gesucht wird oder nicht, entscheidet der Einsatzleiter.

Wird die Entscheidung des Einsatzleiters akzeptiert oder wird darüber diskutiert?
Berger: Nein, mit dem Einsatzleiter wird überhaupt nicht diskutiert. Das hätte auch keinen Sinn. Er ist für den Einsatz zuständig und muss ihn leiten. Die Entscheidung wird akzeptiert.

Trägt der Einsatzleiter die Verantwortung, wenn etwas passiert?
Berger: Er trägt die Verantwortung. Wenn er sagt: „Geht und tut“ und es passiert etwas, dann werden ihm sicher Vorwürfe gemacht. Er kann aber nicht rechtlich belangt werden.

Die Hundeführer werden ja nicht nur zu Lawinenabgängen gerufen. Wie wird eine Suchaktion organisiert?
Berger: Gleich wie bei Lawinenabgängen wird der Einsatz von der Zentrale in Bozen aus organisiert. Im Sommer wird wenig mit Hubschrauber gearbeitet, da es nicht notwendig ist. Der Hubschrauber kommt manchmal, wenn ein waldloses Gebiet abzufliegen ist. Bei Suchaktionen arbeiten wir viel mit Feuerwehren zusammen, da sie viele Mitglieder haben. Das ganze Gebiet wird durchkämmt.

Wieviel kostet ein Lawineneinsatz?
Berger: Das kann ich eigentlich nicht sagen. Bei uns wird keine Rechnung gestellt. Wir werden vom Land finanziert, auch der Hubschrauber. Aber ein Lawineneinsatz würde vielleicht 10.000 Euro kosten.

Wenn der Einsatz der Bergrettung nicht unbedingt notwendig war, muss der Betroffenen auch nicht selber zahlen?
Berger: Doch, das haben sie vor ein paar Jahren eingeführt. Wenn der Hubschrauber einen Verletzten oder weniger Verletzten bergen muss, entscheidet der Arzt des Hubschraubers, ob der Einsatz notwendig war oder nicht. Wenn es nicht unbedingt notwendig gewesen wäre, den Hubschrauber anzufordern, dann muss der Patient selber zahlen. Aber das ist selten der Fall.

Lawinen nach Verschütteten abzusuchen ist für Einsatzkräfte nicht nur Kräfte raubend, sondern stellt auch eine psychische Belastung dar. Wie gehen die Hundeführer damit um?
Berger: Wir haben ein paar Mal darüber diskutiert. Das ist sicher hart. Überhaupt wenn man erfährt, dass der Verschüttete ein Bekannter oder sogar ein Kollege ist. Den Verwandten und Bekannten der Verschütteten wird geholfen. Das ist auch richtig so. Aber die Bergretter würden das auch brauchen.

Gibt es für die Hundeführer keine psychologische Betreuung?
Berger: Nein, eigentlich nicht. Die Notseelsorge betreut die Verwandten der Verschütteten. An uns wurd noch nicht gedacht.

Wie werden Sie persönlich damit fertig?
Berger: Das Beste ist vielleicht, nach den Einsätzen mit den Kollegen oder mit den Beteiligten zusammenzusitzen und zu diskutieren. Ein Bier trinken. Man muss nicht weiß Gott wie viel trinken, aber dass man einfach in einer Runde zusammensitzt. Da verdaut man es sicher leichter, als wenn man sofort nach Hause fährt. Wir versuchen schon nach den Einsätzen zusammen zu sitzen. Für uns ist es immer ein Erfolg, wenn wir den Verschütteten wenigstens gefunden haben. Wir gehen bei Lawineneinsätzen oder Suchaktionen Risiken ein. Ein Erfolg ist immer ein Erfolg. Leider ist es oft tödlich, aber trotzdem ist der Erfolg für die Bergretter da, weil wir ihn gefunden haben.

Werden die Hundeführer mit Vorwürfen von Seiten der Verwandten und Bekannten der Verschütteten konfrontiert?
Berger: Nein eigentlich nicht. Ich muss sagen, wir haben eigentlich immer gute Erfahrungen gemacht. Es kommt öfters vor, dass bei Suchaktionen Gäste wenig Interesse zeigen, die vermisste Person überhaupt zu suchen. Das tut schon ein bisschen weh. Aber sonst werden wir von den Verwandten nicht belastet. Sie stehen immer hinter uns, überhaupt die Einheimischen.

Herr Berger, ich danke für das Gespräch.

Interview: Esther Stoll

(*) Der Landesausschuss besteht nicht aus sieben sondern aus zehn Personen:
Hans Berger (Pustertal) – Landesreferent
Stefan Hölzl (Meran-Burggrafenamt) – Stellvertreter
Meinrad Zingerle (Pustertal) – Schriftführer
Luis Weger (Vinschgau)
Hansjörg Zuech (Meran-Burggrafenamt)
Franz Hofer (Bozen)
Paul Seidner (Eiscktal)
Josef Bachmann (Pustertal) – Ausbildungsleiter
Sepp Hölzl - Landesleiter der Bergrettung
Marius Eccli - Ehrenmitglied

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